Die Grünen 2019 – gekommen, um zu bleiben?

Der Stimmanteil im Vergleich zur Europawahl 2014 fast und im Vergleich zur Bundestagswahl 2010 mehr als verdoppelt. Plötzlich die Nummer Zwei in der deutschen Parteienlandschaft und während die wankende Nummer Eins ungeschickte Rückzugsgefechte führt und allein aufgrund der Demographie dem auf das Ende zuzusteuern scheinen, wirken die Grünen erfrischt und von einer Welle ihres ureigenen Themas nach Vorn getragen.

Unverdient ist dieser Erfolg nicht. Tatsächlich waren es die Grünen, die Themen wie Umweltschutz und Klimawandel überhaupt erst wirklich auf die politische Tagesordnung gehoben haben und auch dann noch beackerten, wenn tagespolitische Ereignisse diese Komplexe überlagerten (auch bis ins tragisch Komische wie „Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter“ im Bundestagswahlkampf 1990) oder wenn der Zeitgeist Umweltschutz vor allem als Wachstumshemmnis wahrnahm.

Allerdings gibt es auch eine andere Seite der Medaille. Nach dem sich viele deutsche Medien im Vorfeld zur Bundestagswahl 2013 von den Springer-Medien für gleich zwei Kampagnen einspannen ließen, zum einen gegen das Steuerkonzept der Grünen, das große Teile der Bevölkerung entlastet hätte und durch das Aufblasen eines kleinen Absatzes aus dem Wahlprogramm zum „Veggyday-Skandal“, beschlossen die Grünen, von nun an niemanden mehr verschrecken zu wollen. Auch wenn ihnen etwa die Fridays For Future-Demos Rückenwind verschafft haben, bleibt die heutige Führung der Grünen mit ihrem Programm weit hinter den Forderungen der Streikenden zurück, von dem, was tatsächlich nötig wäre, um den Klimawandel einzubremsen, ganz zu schweigen. Zu groß ist die Angst, wieder Wähler vor den Kopf zu stoßen.

Und diese Befürchtungen dürften berechtigt sein. Solange es abstrakt zugeht, sehen die Meisten durchaus ein, dass „man etwas tun müsste“. Nur wenn es an konkrete Maßnahmen geht, die dann auch mit Kosten und persönlichen Einschränkungen verbunden sind, lässt die Bereitschaft zu handeln rapide nach.
Noch bleiben, bei aller Freude und Respekt über das Engagement, auch die Schüler und Studenten der Klimastreiks den Beweis schuldig, dass sie den Weg auch noch gehen wollen, wenn es nicht mehr (mindestens) alle zwei Jahre ein neues Handy gibt, jedes Jahr aktuelle Klamotten und die Flugreise in den Ferien. Es bleibt zu hoffen, dass da wirklich eine Generation mit einer neuen Grundeinstellung heranwächst.

Und schließlich: Wir glaubten schon einmal so weit zu sein. Nach dem Reaktorunfall in Fukushima im März 2011 erlebten die Grünen ein vergleichbares Hoch. In Umfragen erreiche die Partei im Sommer dieses Jahres regelmäßig Ergebnisse deutlich über 20%. Im Gleichen Maß, wie das Thema aus dem Fokus verschwand, ebbten allerdings auch bald die Umfragewerte ab und nach den bereits erwähnten Medienkampagnen, die sich über das Jahr 2013 zogen, erreichten die Grünen bei der Bundestagswahl nicht einmal mehr 10 % (tatsächlich nur 8,4 %). Durch den folgenden Schmusekurs mit einem Anbiedern an die Mitte und das öffentliche Abschwören linker Politik (2014 distanzierte man sich durch einen Parteitagsbeschluss etwa vom Veggyday und begrub auch das Steuerkonzept recht bald) stieß man gleichzeitig die Wähler (und Mitglieder) vor den Kopf, die sich eine progressivere Politik wünschten.

Spätestens nach der nächsten Wahl werden die Grünen erneut Farbe bekennen müssen und sagen, mit welchen Partnern sie welche Politik umsetzen wollen. Schon jetzt haben Union und AfD angekündigt, die Grünen als Hauptgegner zu behandeln und man braucht wenig Fantasie, um sich auszumalen, welche Medien den Grünen (Wieder-) Aufstieg wenig wohlwollend begleiten werden. Wenn der Druck nun steigt wird sich zeigen, ob sich die Grünen tatsächlich die progressiven Vorreiter sein wollen und können und ob die Menschen, die ihnen jetzt ihre Stimmen gegeben haben, dann auch wirklich mitziehen.

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