Die Europäische Union ist vielleicht das beeindruckendste Projekt multilateraler Kooperation seit dem Zweiten Weltkrieg. Diesem Satz hätten sich viele vor zehn Jahren wohl noch relativ bedenkenlos angeschlossen. Sicher, das Demokratiedefizit der Institutionen wurde von Anfang an beklagt und zu Beginn des neuen Jahrtausends hatten sich im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“ zwischen den Altmitgliedern und den neuen EU-Staaten in Osteuropa sowie Großbritannien deutliche Differenzen gezeigt, insbesondere wenn es darum ging, eine gemeinsame Linie gegenüber den militärischen Abenteuern der USA zu finden, aber an tiefere Risse in der europäischen Integration hätte noch am Vorabend der Euro-Krise kaum jemand geglaubt.
Seitdem ist viel passiert. Die Immobilienkreditblase in den USA wurde zu einer Bankenkrise und bereits hier setzten die größeren Mitgliedsstaaten ihre Interessen rücksichtslos gegen die kleineren durch, wodurch die Kosten der Bankenrettung direkt in eine Refinanzierungskrise in den Ländern der südlichen Peripherie führte. Hier wäre eine gute Gelegenheit gewesen, die gemeinschaftliche Solidarität zu erproben.
Doch es kam anders. Allen voran Deutschland weigerte sich, die Finanzierung der Staatshaushalte der Gnade der Märkte zu entziehen, sicher auch, weil Deutschland als scheinbar sicherer Hafen zu niedrigsten Zinsen Geld leihen konnte. Es mag also wenig überraschen, dass niemand heute, da Deutschland bei der Verteilung der Flüchtlinge auf mehr innereuropäische Solidarität drängt, dem großen Nachbarn zur Seite eilt.