Schluss mit Wachstum Teil 4 – Haltbarkeit

Das hier ist mein Handy, ein Motorola Moto G4, das ich im Juni 2017 gekauft habe, nachdem sich mein vorheriges Telefon nicht mehr aufladen ließ. Das Modell kam im Sommer 2016 auf den Markt, war also zu dem Zeitpunkt, als ich es erstanden habe, nicht mehr der letzte Schrei, aber auch noch keine veraltete Ramschware.
Obwohl ich ein Talent dazu habe, dass meine technischen Geräte pünktlich zu Ende der Gewährleistungsfrist den Geist aufgeben, zeigt dieses Gerät technisch bisher keine Macken. Das Problem liegt auf der Software-Seite. Das letzte Sicherheitsupdate hat das Gerät vor 15 Monaten erhalten, ein Upgrade auf eine aktuellere Android-Version gab es nie (nur dem etwas gehobeneren Schwester-Modell G4 Plus wurde im Frühjahr noch Android 8.1 spendiert…während neue Modelle bereits mit Android 9 ausgeliefert werden). Der Hersteller hat den Support nicht mal zwei Jahre nach Erscheinen einfach komplett eingestellt.

Das ist nur eine Anekdote, aber es ist kein Einzelfall und es ist Teil eines größeren Problems. Das Thema „geplante Obsoleszenz“ geistern immer mal wieder durch die Medien und die gesellschaftliche Debatte, aber Konsequenzen hatte das bisher noch nicht, eher im Gegenteil. Unter diesem Begriff versteht man, dass ein Produkt bewusst so konstruiert wird, dass es früher kaputt geht, als nötig bzw. möglich gewesen wäre oder Waren möglichst schwer reparabel zu machen, Ersatzteile nicht oder überteuert anzubieten oder eben den Softwaresupport möglichst früh zu beenden. (Es heißt nicht zwingend, dass es ein Bauteil gibt, dass als erstes kaputt gehen soll, sondern in der Regel allgemein geringe Qualität).
Die Intention dahinter ist klar: Der Kunde soll möglichst schnell ein Folgeprodukt kaufen, entweder freiwillig, angeregt durch Werbung für wechselnde Moden oder Weiterentwicklung oder eben, weil das alte Gerät nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr nutzbar ist.

Eine unrühmliche Rolle spielt dabei auch der Verbraucher (und allein der Begriff zeigt, dass der Gebrauch schon von seinem Ende her gedacht wird). Natürlich ärgert man sich, wenn ein Gegenstand pünktlich zum Ende von Garantie- und Gewährleistungspflicht aufgibt, aber die wenigsten ziehen daraus Konsequenzen und machen sich danach auf die Suche nach einer besonders haltbaren Alternative. Wir haben uns schlicht daran gewöhnt.
Bei anderen Dingen wie Kleidung oder Mobiltelefonen trennen sich viele Menschen von noch funktionstüchtiger Ware, weil die sich ändernde Mode oder der (in der Regel minimale) technische Fortschritt sie zum Neukauf animieren. Ich kann mich erinnern, dass die Telekom irgendwann sogar mal mit einem (natürlich besonders teuren) Vertrag warb, bei dem es jedes Jahr ein neues Handy geben sollte…

Die Folgen sind dramatisch. Wir haben einen riesigen und ständig steigenden Verbrauch an Ressourcen, dem auf der anderen Seite ein gigantischer Müllberg gegenübersteht, bei dem nur zu einem sehr geringen Teil durch Recycling Rohstoffe zurückgewonnen werden (können). Gleichzeitig wurde die Produktion vieler Waren in Länder mit niedrigen Löhnen und geringen Standards bei Arbeits- und Umweltschutz verlegt, teilweise gezwungen, weil sich die billigen Wegwerfartikel bei uns nicht mehr wirtschaftlich herstellen lassen, zum Teil schlicht zur Gewinnsteigerung. (Ironischerweise hat der Kapitalismus gerade dadurch tatsächlich in den letzten Jahren zu einer Reduktion der absoluten Armut in den Entwicklungsländern geführt und gleichzeitig die Zahl der Abgehängten in den alten Industrienationen erhöht). Dazu kommen die Umweltbelastungen durch die langen Transportwege.

Was kann getan werden? Da man weder auf „die Wirtschaft“, noch „die Verbraucher“ hoffen kann, aus dieser Spirale auszubrechen, bleibt nur die Politik als Akteur, um umzusteuern. So müssten zum Beispiel die gesetzlichen Gewährleistungsfristen deutlich ausgeweitet werden und zwar ohne eine Beweislastumkehr nach wenigen Monaten, die es dem Käufer auferlegt, belegen zu müssen, dass der Schaden schon beim Kauf vorhanden oder angelegt war (aktuell passiert das bei Reklamationen ab sechs Monaten nach dem Kauf) oder auf die Kulanz des Verkäufers hoffen zu müssen. Fünf Jahre für einfache oder kurzlebige Produkte wären das Minimum, hochwertigere Produkte sollten schon zehn Jahre halten. Software-Support – wo nötig – und die Versorgung mit Ersatzteilen muss noch darüber hinaus gewährleistet sein und Reparaturen (nicht nur um Sinne von großflächigem Austausch von Modulen) sollten möglich sein. Wenn wir das gesetzlich verankern, wären wir vermutlich überrascht, wie haltbar diverse Waren plötzlich sein könnten.

Das Ganze hätte wirtschaftliche Folgen. Auch wenn die Produktionskosten und die Preise sicher steigen würde, könnte man für diese haltbareren Waren nicht den doppelten, dreifachen oder fünffachen Preis verlangen. (Diesem Aspekt hat sich der zweite Teil dieser Reihe gewidmet)  Die Wirtschaft würde schrumpfen und auch Produktionskräfte würden weniger benötigt. Das muss uns klar sein und darauf müssen wir reagieren, doch darin werden auch Chancen liegen.
Und wir müssen verstehen, dass die Umweltprobleme nicht damit gelöst sein werden, dass wir grundsätzlich so weiter machen, wie bisher, uns aber eben nur alle fünf Jahre ein neues Handy kaufen und unsere Kleidung etwas länger tragen. Aber mehr Haltbarkeit wäre ein kleiner Baustein auf dem Weg zu einer Wirtschaft, die unser Ökosystem nicht überlastet.

Dieser Text ist Teil der „Schluss mit Wachstum„-Reihe.