Die ideologische Vorarbeit zum Anschlag in Halle

Der Terror-Anschlag von Halle an der Saale – und um nichts anderes geht es hier, schließlich würde man bei keinem anderen politischen oder religiösen Hintergrund das Narrativ des „einsamen Wolfs“ akzeptieren – zeigt vor allem eines: Die Gefahr rechtsradikaler Gewalttaten ist vorhanden, bleibt hoch und eine weitere Eskalation ist im Bereich des Möglichen.
Der Boden dafür wurde in den letzten Jahren Bereitet. Sicher, ein gewisses Maß an Antisemitismus war auch nach dem Ende der Naziherrschaft und des zweiten Weltkriegs nie verschwunden und gährte im Hintergrund immer vor sich hin. Aber die Verschiebung des gesamten politischen Diskurses, der diese und andere Gewalttaten befördert hat, haben die selbsternannten „Konservativen“ und „Bürgerlichen“ Hand in Hand mit der neuen Rechten besorgt.

Natürlich äußern sich AfD und Union (wie viele andere Akteure auch) jetzt bestürzt über den Anschlag und den zweiten darf man das durchaus abnehmen, aber auch sie haben in den letzten Jahren praktisch durchgehend Stimmung gegen Minderheiten gemacht, an erster Stelle durch Ressentiments gegen Flüchtlinge.
Zum einen neigen Menschen, die Vorurteile und Abneigungen gegen eine Gruppe bzw. Minderheit haben oder entwickelt haben, allgemein zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Wer ein Ressentiment immer wieder aktiviert, stärkt Rassisten, Homophoben usw. grundsätzlich den Rücken und bestärkt sie darin, eine Mehrheit oder wenigsten eine große Minderheit der Menschen zu vertreten und in ihrem Hass gerechtfertigt zu sein.

Des weiteren verschiebt man auf diese Weise den gesamten Diskurs. Die „Konservativen“ unterliegen seit Jahren der Illusion, dass man die Wähler, die man an den rechten Rand „verloren“ hätte, wieder „einfangen“ könne, wenn man ihnen politisch nur entgegenkommen – man könnte auch sagen nachlaufen – würde. Dass das nicht funktioniert, hat man in den letzten Jahren immer wieder gesehen, auch z.B. bei unseren südlichen Nachbarn in Österreich.
Wer den rechtsextremen entgegen kommt, verrückt den Diskurs als ganzes. Die Rechten sind nicht etwas befriedigt, sondern sie bewegen sich selbst weiter zum Extrem und stellen so den alten Abstand wieder her. Wenn das, was gestern extrem war, heute normalisiert wird, eröffnen sich einfach neue Extreme.

In der Union finden sich vermutlich nicht viele Antisemiten, aber wenn ein CSU Innenminister Migration als „die Mutter aller Probleme“ bezeichnet oder sich „bis zur letzten Patrone“ gegen Zuwanderung verteidigen will, dann erledigt er das Geschäft von AfD und Co, die sich wiederum weiter radikalisieren muss, um noch gehört zu werden und ihre Anhänger in dieses Extrem mitnimmt (Ähnliches kann man auch in den USA beobachten, wo die Republikaner heute mit den Positionen der 1970er und 80er nur noch wenig gemeinsam haben.) Und auch die noch radikaleren Kräfte wandern weiter und fühlen sich bestärkt.
Andere Formulierungen, wie der Weltbürger, der international und Multikulturell denkt und die Positionen der quasi Erdverbundenen Normalbürger gar nicht mehr versteht (und implizit damit auch deren Interessen nicht mehr vertritt), ist schon recht nah an den klassischen antisemitischen Stereotypen.

Wenn wir unsere empirischen Erfahrungen zugrunde legen, gab es seit dem Ende des zweiten Weltkriegs nur eine verhältnismäßig kurze Phase, in der Rechtsextremismus sicher nicht verschwunden war (immerhin fällt nicht zuletzt die Mordserie des NSU in diese Zeit), aber zumindest weitgehend unter der Oberfläche gehalten wurde. Wie wurde das erreicht? Durch klare Kante gegen Rechts. Es wurde klar widersprochen, es war mit einem sozialen Preis verbunden, sich offen als Rassist etc. zu zeigen und auch wenn es geistige Ausfälle, wie die CDU-Ministerpräsidenten in Hessen oder NRW gab, wurden rechte Narrative wie die angeblich eingeschränkte Meinungsfreiheit nicht bis in Bundesministerien nachgeplappert. Wir brauchen mehr Engagement und Initiativen gegen Rechts und ja, wir brauchen auch die Antifa, denn das sind die Menschen, die auch noch da sind und bleiben, wenn die Kameras und das Solidaritäts-Konzert weitergezogen sind, auch in den Gegenden, wo man sich auf die etablierte Zivilgesellschaft und die Politik, die angeblich „Bürgerlichen“ nicht verlassen kann.

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